Was ist innere emigration?

Innere Emigration

Die Innere Emigration bezeichnet einen Rückzug aus dem öffentlichen Leben in eine Art private Nische, insbesondere in Zeiten politischer Unterdrückung oder ideologischer Gleichschaltung. Sie ist gekennzeichnet durch eine äußerliche Anpassung an die herrschende Ideologie, während innerlich eine kritische Distanz bewahrt wird. Es handelt sich also um eine Form des passiven Widerstands.

Kernmerkmale:

  • Äußerliche Anpassung: Teilnahme an öffentlichen Ritualen, Verwendung der offiziellen Sprache, Vermeidung offener Kritik.
  • Innere Distanzierung: Ablehnung der Ideologie, Bewahrung eigener Werte und Überzeugungen im privaten Raum.
  • Beschränkung auf den privaten Bereich: Konzentration auf Familie, Freunde, Hobbys und intellektuelle Beschäftigungen, um dem Einfluss der herrschenden Macht zu entgehen.
  • Vermeidung von Konflikten: Bewusstes Ausweichen vor Konfrontationen und Auseinandersetzungen mit dem Regime.

Ursachen und Motive:

  • Angst vor Verfolgung: Die Furcht vor Repressalien, Verhaftung oder anderen Konsequenzen für offene Kritik.
  • Ohnmachtsgefühl: Das Gefühl, keine Möglichkeit zu haben, die politische Situation zu verändern.
  • Erhaltung der eigenen Integrität: Der Wunsch, die eigenen Werte und Überzeugungen nicht zu verraten.
  • Psychologischer Schutz: Der Versuch, die eigene psychische Gesundheit in einer belastenden Umgebung zu bewahren.

Abgrenzung zu anderen Formen des Widerstands:

Die Innere Emigration unterscheidet sich von offenem Widerstand dadurch, dass sie auf Konfrontation verzichtet und auf eine subtile Form der Distanzierung setzt. Sie ist auch nicht mit der tatsächlichen Auswanderung (Emigration) zu verwechseln, bei der das Land tatsächlich verlassen wird. Im Gegensatz zu aktivem Widerstand wie Sabotage beschränkt sich die innere Emigration auf die innere Haltung und das private Verhalten.

Historische Beispiele:

Die Innere Emigration fand in verschiedenen Epochen und unter unterschiedlichen politischen Systemen statt, darunter:

  • Nationalsozialismus in Deutschland: Viele Intellektuelle, Künstler und andere Menschen zogen sich ins Private zurück, um sich der NS-Ideologie zu entziehen.
  • DDR: Auch in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) war die Innere Emigration eine verbreitete Form des Widerstands gegen das SED-Regime.
  • Sowjetunion: Unter der stalinistischen Herrschaft zogen sich viele Menschen in die innere Emigration zurück, um der politischen Verfolgung zu entgehen.

Kritik:

Die Innere Emigration wird manchmal als Opportunismus oder Feigheit kritisiert, da sie keine aktive Veränderung der politischen Verhältnisse bewirkt. Andererseits wird sie als eine Möglichkeit gesehen, die eigene Integrität zu bewahren und in schwierigen Zeiten zu überleben.

Relevanz heute:

Auch in der heutigen Zeit, in der autoritäre Tendenzen und ideologische Polarisierung zunehmen, kann die Innere Emigration als ein Konzept relevant sein, um sich innerlich frei zu halten und die eigene Autonomie zu bewahren.